2002

Schicksal, Wunder, Würfelspiel?

Lola rennt oder: Leben nach der Chaos-Theorie

von Andreas Mertin

in etwas kürzerer Form erschienen in: Religionspädagogik Rundbrief.
Informationen für Religionslehrerinnen und Religionslehrer im Bistum Hildesheim Juli/2002

"Lola rennt" kann unter verschiedenen Aspekten gelesen werden. Die Werbeschlagzeile des Films, die ja bestimmte Lesarten nahe legen soll, lautet: Jeden Tag, jede Sekunde triffst Du eine Entscheidung, die Dein Leben verändern kann. Und die zweite Zeile lautet: Es sind die kurzen Augenblicke, die über Leben oder Tod entscheiden können ... Was der Betrachter also vom Film erwarten kann, ist, dass es um eine Fülle von Entscheidungen geht, die ganz unterschiedliche Konsequenzen zeitigen. Was ihn erwartet, ist also eine Art Lebensdeutung unter dem Aspekt der Chaostheorie. Die Anwendung der Chaostheorie auf die Lebensgestaltung legt ja zwei ebenso komplementäre wie konträre Reaktionen nahe:

  1. Wenn nahezu alles kontingent ist, warum sollte man sich um das Einzelne kümmern, ja darüber hinaus: warum sollte man sein Leben überhaupt gestalten wollen?
  2. Wenn jedoch schon das kleinste Detail alles ändern kann, dann müsste man den Kleinigkeiten eben mehr Aufmerksamkeit schenken.

Der Film "Lola rennt" setzt die lebensweltliche Chaostheorie so um, dass sie sie wie ein Spiel auf der Playstation gestaltet. Die zentrale Frage des Films lautet also nicht mehr wie im klassischen Kino: Kann Liebe alle Widernisse überwinden? sondern wie beim Jump-and-Run-Spiel: Wie schnell reagiere ich auf unvorhergesehene Hindernisse, z.B. den Hund im Treppenhaus? Der Vergleich mit dem Videospielen ist hier äußerst erhellend. In jedem Videospiel gibt es ein so genanntes "Intro", das die Ausgangssituation erläutert. Es benennt die Herausforderungen für die Spieler und deutet Lösungswege an. Die Mitspieler wissen nun, worum es geht und können erste Schritte wagen. Je nachdem, wie man reagiert und wohin man sich wendet, verändert sich der gesamte Ablauf des Spiels. Und wenn man scheitert, hat man eben noch einige andere "Leben" , um einen neuen Versuch zu wagen. So bleibt das Spiel langfristig interessant. Man rennt und rennt und rennt, eben Jump and run. Exakt so ist "Lola rennt" aufgebaut:

[Die Story:] Manni (Moritz Bleibtreu) muss an Ronnie 100.000 DM abliefern, eine Summe die er unglücklicherweise in der U-Bahn liegen lässt, wo sie ein Penner (Joachim Krol) findet und mitnimmt. Nun bleiben Manni 20 Minuten bis zur Abgabe des Geldes oder es geht ihm schlecht. Verzweifelt telefoniert er mit seiner Freundin Lola (Franka Potente), die ihm gewöhnlich aus jeder Notlage hilft. Wird sie in der Lage sein, die 100.000 DM in 20 Minuten zu organisieren? Nun, da gibt es verschiedene Wege ...

  1. Lola erbittet das Geld von ihrem Vater, kriegt es nicht, sie kommt zum Treffen zu spät, Manni überfällt einen Supermarkt, bei der Flucht wird die herbeigeeilte Lola von der Polizei erschossen.
  2. Lola erbittet das Geld von ihrem Vater, kriegt es nicht, Lola überfällt die Bank des Vaters, beim pünktlichen Zusammentreffen mit Manni wird dieser von einem Krankenwagen überfahren.
  3. Lola verpasst ihren Vater knapp, erspielt statt dessen das Geld im Casino, Manni trifft den Penner und nimmt ihm das Geld ab. Lola ist pünktlich, aber Mannie hat Ronnie das Geld schon abgeliefert.

Auf jedem dieser drei Wege begegnet Lola bestimmten Figuren, muss sie Entscheidungen treffen oder wird sie von Entscheidungen anderer beeinflusst. Und je nach dem wie eine Situation abläuft, verändern sich die nachfolgenden Situationen. Das Rad des Schicksals dreht sich jedes Mal neu und anders, wobei bestimmte Elemente immer erhalten bleiben. Die Gesamtkonstellation ist dabei nicht beliebig, sie ist ein Rahmen, innerhalb des sich das Geschehen nach mehr oder minder kontingenten Faktoren abspielt. Die alternativen Konsequenzen für die Beteiligten sind dabei gravierend (Reichtum oder Armut, Tod oder Leben).

Die Figuren

Folgt man der Chaostheorie, dann kann es keine unwichtigen Handlungsfiguren geben, denn jeder Auftritt einer Figur verändert das Gesamtgefüge. Und trotzdem gibt es Haupt- und Nebenfiguren. In "Lola rennt" lässt sich folgendes Beziehungsnetz beschreiben: Lola - Manni - Lolas Vater - dessen Freundin Jutta Hansen - Wachmann Herr Schuster - "Penner" Norbert von Au - Fahrer Herr Meier - Angestellte Frau Jäger - der Radfahrer Mike - Doris, die Frau mit dem Kinderwagen - Krankenwagenfahrer/Sanitäter - Ronnie. Hinzu kommt die Comicfigur aus dem Treppenhaus vom Anfang des Films.

Nicht alle Fäden aus diesem Netz werden in jedem der drei Durchgänge realisiert. So stoßen der Fahrer Herr Meier und der Penner Norbert von Au nur in der dritten Variante aufeinander, als Manni den radelnden Penner verfolgt, Herr Meier beiden ausweichen will und gegen ein anderes Auto fährt. Und Lola begegnet Frau Jäger und Jutta Hansen zwar in den Episoden eins und zwei, in der dritten Episode aber nicht, weil sie die Bank erst gar nicht betritt. Man kann untersuchen, wie oft die verschiedenen Beziehungen in den drei Durchgängen realisiert werden. Dabei fällt auf, dass alle einmaligen Beziehungen in der dritten Episode stattfinden und bei den zweimaligen Beziehungen die fehlende ebenfalls jeweils in der dritten Episode nicht realisiert wird. Diese weicht offensichtlich von den anderen stark ab.

Bei einigen Verbindungen gibt es Unsicherheiten: so bleibt es z.B. eine spekulative Frage, ob der Wachmann Schuster in jeder der drei Episode in dem Krankenwagen liegt - wie man ja durchaus vermuten könnte.

Natürlich hat im Rahmen des Films nicht jede Figur gleich viel Fäden. Die meisten hat notwendigerweise Lola, die mit Ausnahme zu Ronnie zu allen Figuren in Beziehung steht. Die Figur, die am zweitstärksten vernetzt ist, ist der Penner Norbert von Au, der ja nicht nur Mannie und Lola begegnet, sondern auch dem Radfahrer am Kiosk und schließlich Herrn Meier und mit ihm zusammen auch Lolas Vater beim Beinahe-Unfall mit schweren Unfallfolgen.

Von der Art der Begegnung mit manchen Figuren hängt - scheinbar? - mehr ab als von der mit anderen. Wie Lola an der Comic-Hund-mit-Herrchen im Treppenhaus vorbeikommt, davon scheint viel für den Rest der jeweiligen Episode abzuhängen: entweder gewinnt Lola ein paar Sekunden oder sie verliert ein paar Sekunden und ist zudem noch gehandikapt. Das hat dann wiederum Folgen für andere Begegnungen (z.B. für den Nicht-Zusammenstoß mit der Frau mit dem Kinderwagen und die Konsequenzen, die das wiederum für diese hat). Ebenso folgenreich ist es, wie das Gespräch von Lolas Vater mit seiner Freundin Jutta Hansen verläuft, ob es von Lola nur unterbrochen wird, ob es im Streit endet oder ob es relativ rasch vertagt wird (weil der Fahrer Meier früher eingetroffen ist). Und schließlich scheint es jeweils entscheidend, wie sich die Begegnung des Krankenwagens mit den Glasträgern gestaltet - auch hier geht es um minimale Zeitdifferenzen. Immer gilt, was die Werbezeile des Films verkündet: Es sind die kurzen Augenblicke, die über Leben oder Tod entscheiden können ...

Der Film

"Lola rennt" wurde von Tom Tykwer geschrieben und realisiert, der vorher "Winterschläfer" und anschließend "Der Krieger und die Kaiserin" gemacht hat. Der Film kam im August 1998 in die deutschen Kinos und lief unter dem Titel "Run Lola Run" erfolgreich auch im angelsächsischen Bereich. Der Film dauert in der deutschen Kinoversion 81 Minuten, in der deutschen Videoversion 77 Minuten. Eine Fülle bekannter Schauspieler hat - oft nur in Nebenrollen - am Film mitgewirkt. Realisiert wurde "Lola rennt" mit einem Budget von 3.500.000 DM. Gedreht wurde der Film in Berlin, als konkrete Orte werden u.a. die Friedrichstraße und die Wilmersdorfer Straße angegeben. Der Film wurde schnell erfolgreich. Die Reaktionen der Filmkritik waren mehr als positiv: "So soll deutsches Kino aussehen; wir wollen mehr davon!" - "... ein recht ungewöhnlicher Film aus deutschen Landen, ... der es wirklich verdient hat, in den Kinos gezeigt zu werden ... 'Lola rennt' ist auf jeden Fall ein Highlight des deutschen Kinos, das in der letzten Zeit nur allzu selten durch positive Schlagzeilen für Gespräche sorgte. Zumindest für einige Zeit wird dieser Film das ändern." Zum Erfolg trug sicher bei, dass es sich um einen Hauptstadt-Film handelt, andererseits aber auch das zutreffend wiedergegebene Gefühl der ebenso zielgerichteten wie kontingenten Hektik und Ruhelosigkeit, und nicht zuletzt das ungewöhnlich herbeigeführte Happy-End. Vielleicht aber ist der Erfolg auch darin begründet, dass die Machart des Films der Wirklichkeitswahrnehmung einer an Computerspielen trainierten und in der Medienwelt groß gewordenen Generation entspricht. Es gibt eben nicht nur ein Leben vor dem Tod, sondern - wie in jedem guten Videospiel - mindestens drei.

Die Idee

Die Idee des Replay, also der Wunsch, einmal Geschehenes ungeschehen machen zu können, beherrscht viele Kino-Filme, insbesondere der Science-Fiction-Produktion aus Hollywood. Immer wieder geht es darum, aus "der" einen Geschichte eine reversible Geschichte, also Geschichten zu machen, dem Unausweichlichen seine Fatalität zu nehmen. Letztlich liegt jeder Erzählung von einer Zeitmaschine diese Sehnsucht zugrunde. Und sie ist ein idealer Stoff für das Medium Film. Gibt man das Stichwort "time-travel" in die Suchseite der Internet-Movie-Database ein, dann folgt eine Liste von 181 Kinofilmen und TV-Serien. Davon widmet sich ein guter Teil dem Ausflug in die Vergangenheit mit dem Ziel, diese zu ändern. Filmhistorisch sind die beiden Terminatorfilme ein anschauliches Beispiel für diese Sehnsucht, in beiden geht es darum, aus der Zukunft in der Vergangenheit die Zukunft zu ändern. Ähnliche Konstruktionen lassen sich in anderen massenwirksamen Filmen beobachten, etwa in der beliebten Star-Trek-Serie: Exemplarisch in "Star Trek IV: Zurück in die Gegenwart" sowie in "Star Trek VII: Der erste Kontakt". Beides mal geht es um die Veränderung oder Erhaltung der Vergangenheit. Und um abschließend noch ein letztes Beispiel zu erwähnen: auch in "12 Monkeys" geht es darum, den Lauf der Geschichte zu verändern. Das Stichwort der "drohenden Apokalypse", das dabei jedes Mal auftaucht, zeigt, worum es geht: um eine neue Lehre von den letzten Dingen. Die unausweichliche, aber durchaus gestaltbare Zukunft wird dabei depotenziert zur nur noch 'möglichen', d.h. revidierbaren Zukunft.

"Lola rennt" im Unterricht

Der Film hat eine Länge von 77 Minuten. Das ermöglicht gerade noch den Einsatz im Religionsunterricht. Es ist also nicht zwingend, den Film für den Unterricht zu kürzen. Die Aspekte, unter denen man "Lola rennt" im Religionsunterricht bearbeiten kann, sind vielfältig, aber sie sind eng verbunden. Unterscheiden lassen sich vielleicht Ansätze, die nur Details des Films herausgreifen von solchen, die mit der Gesamtkonstruktion zusammenhängen.

  • Wie verläuft unser/mein Leben? - Ist das Leben ein 'Jump & Run'? Den Titel aufgreifend und den Film als Metapher für das Leben allgemein verstehend, kann man nach der Perspektivierung des individuellen Lebens fragen.
  • Kann man sein Glück zwingen? - Ist alles nur Zufall? Die zweifache Wiederholung des Versuchs, einen glücklichen Ausgang aus dem Dilemma zu finden, lässt danach fragen, ob alles nur Zufall ist oder ob man sein Glück 'machen' kann.
  • Du hast keine Chance, nutze sie! Die Ausgangssituation des Films ist so beschrieben, dass Lola eigentlich keine Chance hat, auf "normalem" Wege die ihr gestellte Aufgabe zu lösen. Ist das die Situation des Menschen am Ende des 20. Jh.?
  • Wer zahlt für mein Wohlergehen? Was ist der Preis? Die drei Episoden zeigen, dass es keine Lösung ohne Verluste (hier sogar: ohne Tote) gibt. Das lässt übertragen danach fragen, welchen Preis wir zahlen bzw. wer den Preis für uns zahlt.
  • Das Gebet. In der dritten Episode kommt es zu einer flehenden (aber ungerichteten) Bitte von Lola. Von der klassischen Konstellation her handelt es sich um ein Gebet. Ist es das? Und welche 'Funktion' haben Gebete?
  • Der Schrei. Mehrfach 'schreit' Lola im Film. Das hat ebenso Anklänge an die Blechtrommel, wie an Edvard Munchs berühmtes Gemälde "Der Schrei", aber es nimmt auch eine biblische Tradition auf.
  • Von der einen zu den vielen Wahrheiten. Was auf der Ebene der Einzelepisode noch als wahr und authentisch angelegt ist, verändert sich im Rahmen der Filmkonstruktion zu einer relativen Wahrheit und Authentizität. Ist das die Botschaft des Films?

Zu den vielleicht interessantesten Aspekten von "Lola rennt" gehört der Umschlag von der Wahrheit zu den Wahrheiten, von der einen sich ereignenden Geschichte zu den potentiell unendlich vielen Geschichten. Wie die "roten Zwischenepisoden" verdeutlichen, ist noch die absoluteste Beziehung relativ. Wäre die Geschichte anders verlaufen bzw. geht die Geschichte weiter, dann dementiert sie das Absolute der einzelnen Geschichte, sie wird zur bloßen Episode. Selbst die Kultur der Authentizität wird in der Wiederholung zur bloßen Chiffre. Viele religiöse Menschen begreifen diese Entwicklung vom gestifteten Einheitsgrund zur pluralen Verfasstheit unserer Existenz als tödliche Bedrohung bzw. als Angriff auf den Wahrheitsanspruch der Religion. Im Religionsunterricht wird es genau um diese Fragen gehen. Also: Wie verhält sich die Wahrheit des Christentums zu den pluralen Wahrheiten, die wir alltäglich erfahren. Was bedeutet das Zerbrechen der großen Erzählungen für die vielen kleinen Geschichten?

Literaturhinweise

Traugott Roser, Lola rennt oder: Drei vergebliche Versuche über Eindeutigkeit, Magazin für Theologie und Ästhetik, https://www.theomag.de/08/tr1.htm

Kirsner/Wermke (Hg.), Religion im Kino. Religionspädagogisches Arbeiten mit Filmen, Göttingen 2000. Darin der Beitrag von Michael Wermke zu "Lola rennt", S. 126ff.


Anhang

00:00

Vorsprüche; T.S. Eliot, Sepp Herberger

00:15

Vorspann; Monolog über den Menschen; Comic; Vorstellung der Hauptfiguren

04:10

Ausgangssituation: Gespräch Manni - Lola; haben sich verpasst; Lola wurde das Mofa geklaut; der Taxifahrer hat sich verfahren; Manni hat einen Coup verhauen; er hat Mercedes verschoben, dafür Diamanten erhalten, die Diamanten in Geld umgetauscht; aber dann war Lola nicht da; er fuhr mit der U-Bahn; es kommen Kontrolleure, Manni reflexartig raus, vergisst aber die Plastiktüte mit dem Geld. Penner haut mit der Tasche ab [erste Zukunftssequenz: positiv]. Das gibt Ärger mit Ronnie, seinem Auftraggeber, denn es geht um 100.000 DM. Und um die Frage: wenn Liebe alles kann, kann sie dann auch in 20 Minuten 100.000 DM herzaubern? Manni gerät in Panik - Lola schreit. Sie verspricht Manni, ihm zu helfen. Der überlegt, den Supermarkt Bolle zu überfallen. Er verspricht aber, noch 20 Minuten zu warten. Lola überlegt, was zu tun ist. Ein Fülle verschiedener Gesprächspartner zieht an ihrem Auge vorbei. Dabei häuft sich das Gesicht von "Papa". Sie entschließt sich, ihren Vater aufzusuchen.

11:00

Variante I: Lola rennt los, Comic-Elemente im Fernseher der Mutter im Wohnzimmer: Treppe, Hund knurrt, Schrei. Lola rennt; erster Zusammenstoß [zweite Zukunftssequenz: negativ]; Lola rennt; Gespräch des Vaters mit seiner Freundin; Lola rennt; Episode mit den Nonnen und dem Radfahrer [dritte Zukunftssequenz: negativ]; Beinahezusammenstoß mit den Fahrer ihres Vaters; dafür Zusammenstoß des Fahrers mit einem Auto, in dem gefährliche Typen sitzen; Manni telefoniert vergeblich; Episode mit der Blinden; Blick auf die Uhr: 10 Minuten vorbei [Filmdauer erst 5 Minuten]. Lola rennt am Penner vorbei; Gespräch Vater - Freundin: Liebst Du mich? - Dann entscheide Dich! Lola erreicht das Bankhaus in dem ihr Vater arbeitet. Sie stößt mit einer Mitarbeiterin zusammen [vierte Zukunftssequenz: negativ]; Lola platzt in das Gespräch zwischen Vater und Freundin; sie bittet den Vater ums Geld. Vater weigert sich; Lola schreit. Vater schmeißt sie raus. Dabei erfährt sie, dass sie nicht sein Kind ist. Es ist 3 vor 12 [Filmdauer erst 11½ Minuten]. Lola rennt; Manni telefoniert; es ist 2 vor 12; Episode Krankenwagen, Glasträger; Manni geht auf Bolle zu. Lola rennt. Es ist 1 Minuten vor 12. Manni blickt durchs Schaufenster, der Krankenwagen fährt vorbei; das Bild splittet sich: rechts Lola rennt, links Manni vor dem Supermarkt. Im unteren Teil die Uhr, deren Sekundenzeigen 12 vorrücken. Um Punkt 12 [Filmdauer bis dahin 14½ Minuten] erreicht Lola den Platz, aber Manni betritt gerade den Supermarkt. Lola rennt; Manni überfällt den Supermarkt; ein Wächter mit Pistole kommt; Lola entwaffnet ihn und schießt aus Versehen auf ihn; Manni räumt das Geld ab; sie fliehen aus dem Supermarkt ['What a differance a day made' ertönt]; die Polizei umzingelt sie und schneidet den Fluchtweg ab; Manni schmeißt das Geld in die Höhe; ein Polizist schießt, dem Geld nachblickend, Lola in die Brust. In Zeitlupe kippt sie um; Man­ni fällt die Pistole hin, die Kamera fährt auf Lolas Gesicht zu.

30:00

Rote Zwischenepisode I: Manni und Lola liegen im Bett und sie fragt: Liebst Du mich? Kompliziertes Gespräch über Liebe und Wahrheit und Gefühl. Rückkehr zur "Realität" auf der Straße vor Bolle. Hochfliegende Geldtasche und Telefonhörer, beide Rot, wechseln sich ab. Lola sagt: STOP.

33:00

Variante II: Lola rennt los, Comic-Elemente im Fernseher der Mutter im Wohnzimmer: Treppe, der Hund knurrt, sein Herrchen stellt Lola ein Bein, sie fällt, Schrei. Lola rennt humpelnd, dann immer schneller. Erster Zusammenstoß [zweite Zukunftssequenz: positiv]; Lola rennt; Bild des Fahrers ihres Vaters; Episode mit den Nonnen und dem Radfahrer [dritte Zukunftssequenz: negativ]; Manni telefoniert vergeblich; Lola springt über das Auto des Fahrers ihres Vaters; dafür fährt der Fahrer einem anderen Auto, in dem gefährliche Typen sitzen, in die Seite. Lola stößt mit dem Penner zusammen. Gespräch Vater mit der Freundin: Willst Du ein Kind mit mir? Ja! Auch wenn es nicht von Dir ist? Lola betritt das Bankhaus, in dem ihr Vater arbeitet. Lola platzt in das Gespräch zwischen Vater und Freundin; konfuses Gespräch, konfuse Kameraführung; sie bittet ihren Vater um Geld; es gibt einen Streit; ihr Vater ohrfeigt sie; Lola zertrümmert das Zimmer und rennt dann weg; sie geht an der Mitarbeiterin vorbei und schreit sie an; Lola entwendet dem Wächter die Pistole und kehrt zum Zimmer ihres Vaters zurück. Sie geht wortlos an der Mitarbeiterin vorbei; dann bedroht sie ihren Vater und schießt mit der entsicherten Pistole in die Wand; sie geht mit dem Vater durch den Flur und trifft wieder auf die Mitarbeiterin [vierte Zukunftssequenz: positiv]; Lola erpresst vom Kassierer 100.000 DM, der aber hat im Augenblick nur 88.000 DM in der Kasse und muss den Rest aus dem Keller holen. Vater und Tochter schweigen sich an. Als Lola schließlich mit den 100.000 DM aus der Bank kommt, steht sie vor einer Phalanx von maskierten Polizisten. Diese halten sie aber für ein Opfer und scheuchen sie weg. Lola rennt, fragt nach der Zeit ohne sie zu erfahren. Manni legt den Hörer auf, es ist 2 vor 12 [Filmdauer erst 13½ Minuten]. Episode mit dem Krankenwagen (Lola will mitgenommen werden) und den Glasträgern; Krankenwagen fährt durch das Glas; Lola rennt; Manni geht auf den Supermarkt zu und blickt durch das Schaufenster; das Bild splittet sich: rechts Lola rennt, links Manni vor dem Supermarkt. Im unteren Teil erscheint die Uhr, deren Sekundenzeiger auf die 12 vorrückt. Um Punkt 12 [Filmdauer bis dahin 14½ Minuten] erreicht Lola den Platz, sie ruft nach Manni und dieser hört sie dieses Mal. Sie laufen aufeinander zu. Urplötzlich überfährt der von der Seite kommende Krankenwagen Manni, der mit ausgebreiteten Armen auf der Straße liegen bleibt. Lola lässt vor Schreck den grünen Beutel mit dem Geld fallen und geht auf Manni zu.

50:00

Rote Zwischenepisode II: Manni und Lola liegen im Bett und er fragt: Wenn ich jetzt sterben würde, was würdest Du machen? Kompliziertes Gespräch über Liebe, Tod, Ewigkeit, Trauer und Vergessen; Rückkehr zur "Realität" auf der Straße vor Bolle. Man sieht eine herunterfallende Geldtasche und ein vorüberfliegendes Flugzeug.

52:00

Variante III: Lola rennt los, Comic-Elemente im Fernseher der Mutter im Wohnzimmer: Treppe, Hund knurrt, Lola springt über ihn hinweg und brüllt zurück. ['Wish' ertönt]. Kein Zusammenstoß [zweite Zukunftssequenz: ambivalent]; Lola rennt; Episode mit den Nonnen und dem Radfahrer; Radfahrer biegt ab, trifft am Kiosk auf den Penner und bietet ihm das Rad zum Verkauf an; Lola rennt und knallt gegen das Auto des Fahrers ihres Vaters. Die gefährlichen Leute fahren vorbei. Der Penner hat das Rad gekauft und fährt damit. Gespräch Vater mit der Freundin: Willst Du ein Kind mit mir? Vater verlässt das Büro; Bildschirm splittet: rechts Lola rennt, links Vater im Gang der Bank. Vater grüßt die Mitarbeiterin. Vater verlässt die Bank und trifft seinen Fahrer. Als Lola vor dem Bankhaus eintrifft, fährt ihr Vater gerade davon. Der Fahrer erzählt von seiner Begegnung mit Lola, während Lola im Hintergrund aus dem Bild verschwindet. Der Wächter verlässt die Bank und sagt zu Lola: Bist ja endlich da Schatz?? Manni telefoniert vergeblich; Episode mit der Blinden; Manni erblickt den Penner auf dem Rad und rennt hinterher; sie rasen auf eine Kreuzung zu, auf die auch Lolas Vater und sein Fahrer zufahren. Sie weichen einander aus, aber der Fahrer brettert in den weißen Wagen mit den gefährlichen Typen. Lola rennt und rennt; Zwiegespräch mit [Gott]. Lola rennt beinahe in einen LKW. Sie erblickt das Casino. Sie tauscht all ihr Geld [99,20 DM] in einen 100er Chip um. Sie setzt den Chip auf die 20. Der Croupier (den man am Anfang des Films schon einmal als Zeichenfigur gesehen hatte) sagt: es geht nichts mehr. Die Kugel bleibt auf der 20 liegen. Lola erhält 3500, sie legt die Chips zu den 100 auf dem Feld 20. Lola schreit minutenlang, die Kugel rollt auf die 20. [Auf dem Roulettetisch liegen nur die 3600 von Lola]. Lola lässt das Geld wechseln, die Kamera fährt über die erstarrten Casino-Besucher und -Mitarbeiter auf die Uhr im Casino zu: es ist 3 Minuten vor 12 [Filmdauer erst 14 Minuten]. Manni rennt hinter dem Rad des Penners her und zieht die Pistole. Er knöpft dem Penner die Tasche ab und übergibt ihm im Gegenzug die Pistole. Lola rennt; Episode Krankenwagen und Glasträger. Als der Krankenwagen vor den Glasträgern hält, springt sie in den Wagen. Dort liegt der Wächter aus der Bank. Sie gibt ihm die Hand und sagt: ich gehör zu ihm. Der Wächter wird erfolgreich reanimiert. Punkt 12 [Filmdauer bis dahin 18 Minuten] erreicht der Krankenwagen die Kreuzung von Bolle. Es ist alles menschenleer; Manni ist nicht da; dann fährt in der Nachbarstraße ein Auto vor dem Manni entsteigt. Ronnie verabschiedet sich freundlich von ihm. Manni sagt zu Lola: Na Du! Wie siehst Du denn aus? Bist Du gerannt? Sie gehen nebeneinander her, er blickt auf die grüne Plastiktasche und fragt: was is'n da drin? Lola lächelt.

72:00

Abspann: Der Abspann läuft entgegen den Kinokonventionen von oben nach unten ab.