Apocalypse now - Stephan Lochners Jüngstes Gericht

von Andreas Mertin

[religion unterrichten 2/2008]

Was kommt am Ende der Zeiten auf uns zu? Was geschieht mit uns, wenn die Engel die Posaunen zum Jüngsten Gericht blasen? Was, wenn die Alternative für uns Himmel oder Hölle ist? Was, wenn die Welt voller Teufel wäre und die Wahrscheinlichkeit, in die Hölle zu kommen, über alle Maßen groß wäre? Die Phantasie der Menschen hat sich vor allem im Mittelalter die letzten Tage der Menschheit in den grellsten Farben ausgemalt. Wo immer man eine Kathedrale oder Kirche betrat, wurde man auch mit einer Darstellung des Jüngsten Gerichts über dem Eingang konfrontiert: Du bist verdammt in alle Ewigkeit, wenn Du keine Gnade vor Gott findest. Berühmt das Jüngste Gericht von Michelangelo in der Sixtinischen Kapelle, berühmt aber auch Luca Signorellis Darstellung des Jüngsten Gerichts in Orvieto mit der dramatischen Darstellung der Verdammten.

Die biblischen Bezugstexte sind schnell benannt: Der thronende Christus in den Wolken (Mt 24, 29-31; 25, 31-33; Offb. 1, 7; 20, 11-15), die Posaune blasende Engel (Mt 24, 31), die sich öffnende Gräber, aus denen die Toten auferstehen (Hes 37, 12; Dan 12, 2; Offb 20, 13)

Stefan Lochners "Jüngstes Gericht" (um 1435), das heute im Kölner Wallraf-Richartz-Museum ausgestellt ist, gehört zu den wichtigen Werken der Darstellung dieses Themas. Es gilt als ein frühes Hauptwerk Lochners. Über den Künstler ist nur wenig bekannt, viel muss über seine Malweise erschlossen werden. Lochner ist Anfang des 16. Jahrhunderts in Meersburg am Bodensee geboren und Mitte des Jahrhunderts in Köln gestorben. Zu seinen Hauptwerken gehören die Darstellung im Tempel (1447), Maria im Rosenhag (1448) und der Dreikönigsaltar im Kölner Dom (um 1442).

Schauen wir uns das Jüngste Gericht von Lochner genauer an: Das Kunstwerk von dem man lange Zeit annahm, es sei die Mitteltafel eines Triptychons, ist ein Bild mit klarem Aufbau. Es wird dominiert von einer Dreierkonstellation, die man als Deesis (Gebet, Bitte) bezeichnet. Damit beschreibt man eine Bildkomposition mit Christus als Richter zwischen den Bittenden Maria und Johannes dem Täufer. Die Deesis verbindet sich in der Regel mit der Maiestas Domini und dem Jüngsten Gericht, wobei die Rolle von Maria und Johannes als Fürbitter der Menschheit betont wird.

Das zweite, was am Bild auffällt, ist die Farbgestaltung. Der Goldgrund ersetzt schon in den frühchristlichen Mosaiken die antike naturalistische Raumgestaltung. In der mittelalterlichen Malerei charakterisierte er die überirdische, raumlose Sphäre der heiligen Gestalten. Hinzu kommt die religiöse Farbensymbolik, die sich nicht zuletzt an der Kostbarkeit der Farben orientiert: Blau wird zur Symbolfarbe Marias, Purpur charakterisiert Christus. Grün ist u.a. die Farbe der Hoffnung, aber auch des Gewandes des Johannes.

Das dritte, was auffällt, ist die Gegenüberstel­lung des himmlischen Jerusalem und der Hölle und der Kampf der Engel und Teufel um die Seelen jedes einzelnen Menschen. Insbesondere links unten ereignet sich gerade eine handfeste Auseinandersetzung um einen fast schon geretteten Menschen, den die Teufel doch noch in die Hölle schleppen wollen. Das geöffnete Grab, dem der Mensch gerade entsteigt, wird zum Schauplatz einer letzten Schlacht.  

Das Bild ist natürlich keine Einführung in die heutige Lehre von Himmel und Hölle, sondern ein kulturgeschichtliches Dokument mittelalterlicher Frömmigkeit mit ihren drastischen Ängsten und ihrer grenzenlosen Hoffnung. Was haben die Menschen geglaubt und gefürchtet? Unter diesem Aspekt kann und sollte es im Unterricht behandelt werden. Das Werk hat eine klare Botschaft: Diese Welt ist nicht alles, es gibt eine Welt jenseits der erfahrenen Wirklichkeit (Goldgrund). In dieser Welt tobt eine Schlacht zwischen Gut und Böse, die einmal abschließend entschieden wird (Kampf der Engel gegen die Teufel). In diesem Kampf ist der Einzelne nicht alleine, nicht dem Bösen ausgeliefert, sondern er hat Fürsprecher (Maria und Johannes). Wer recht lebt und Jesus, Johannes und Maria um Hilfe anfleht, der kann damit rechnen, ins himmlische Jerusalem einzuziehen (linke Bildhälfte). Wer das nicht tut, dem droht die Hölle (rechte Bildhälfte).

Zuletzt bearbeitet 30.01.2010
© Andreas Mertin