Über das Verschwinden des Politischen

von Andreas Mertin

Kanzelrede am 20.09.2009 in der Mittagskirche der Melanchthonkirche Bochum
im Rahmen der Reihe Übergänge im Spoannungsfeld von Politik und Ästhetik

[Die Redeform wurde für die Onlineveröffentlichung beibehalten]


Liebe Besucherinnen und Besucher der Mittagskirche,

der Titel meiner heutigen Kanzelrede hat eigentlich etwas Paradoxes:  

Über das Verschwinden des Politischen

Jeder, der diesen Titel hört, weiß, was damit gemeint ist, zugleich weiß er aber auch, dass die damit ausgedrückte These unzutreffend ist. Nein, das Politische schwindet nicht! Und es verschwindet schon gar nicht. Es kann per Definitionem gar nicht verschwinden und es ist auch heute nicht im Schwinden begriffen. Jeder weiß es, jeder fühlt es, mit Macht greift das Politische in unser Leben ein, verändert es, befördert es oder schwächt es.

Das Politische, die gesellschaftliche Macht hat darüber hinaus in einem Maße von uns Besitz ergriffen, wie wir es uns nach den zweiten Weltkrieg nicht mehr haben vorstellen können. Hat das Bürgertum seit der Zeit der Reformation einen guten Teil seiner Energie darauf verwendet, sich das Feld des Privaten zu erobern und von öffentlicher und das heißt eben auch politischer Kontrolle unabhängig zu machen, so ist in wenigen Jahren der gesamte Prozess rückgängig gemacht worden und wir sind heute gläserne Menschen in gläsernen Häusern mit allzu durchsichtiger Kommunikation.

Mein Weg heute morgen aus dem Haus, mit dem Bus in die Stadt, dem Zug von Hagen nach Bochum und dem Bus bis hier hin, ist von wenigstens 20 Videokameras aufgezeichnet und festgehalten worden. Meine gestrige Internetanfrage bei der Deutschen Bundesbahn, wie ich am besten von der Erftstraße in Hagen zur Melanchthonkirche an der Königsallee komme, ist von der Bahn wie auch von meinem Provider mit IP-Adresse gespeichert worden, damit es längere Zeit kontrollierbar bleibt. Der Staat kann heute direkt auf unsere Bewegungen ebenso wie auf unsere Geldkonten zugreifen, er durchforscht unser Verhalten im Internet und selbst jedes moderne Schloss, mit wir unsere Koffer verschließen, ist als so genanntes TSA-Schloss inzwischen so konstruiert, dass der Staat (in Form der Transportation Security Administration) es ohne unser Zutun öffnen und den Inhalt des Gepäcks kontrollieren kann. Der Staat ist immer und überall.

Dass wir dennoch das Gefühl haben, das Politische, die Politik wäre am Schwinden, liegt sicher daran, dass die Politik selber in ihren elementaren Auseinandersetzungen im Vergleich etwa zu den 60er-Jahren, aber auch noch den 70er- und 80er-Jahren weniger kontrovers in der Öffentlichkeit verhandelt wird. Es liegt daran, dass das Medienrauschen zugenommen hat und inzwischen nicht mehr wichtig ist, was jemand sagt, sondern nur noch wie und wo er es sagt und wie er damit ankommt. Der Prozess der Vergleichgültigung betrifft eben auch das Politische.

So gesehen stimmt die These, dass das Politische verschwindet - aber sie stimmt nicht an sich, sondern das Politische wird im Medienrauschen nur unkenntlicher. Als das Rededuell von Angela Merkel und Frank Walter Steinmeier im Fernsehen übertragen wurde, lautete die Überschrift der Spiegel-Online-Redaktion am nächsten Tag: „ARD gewinnt, SAT 1 verliert und Kandidat Homer Simpson (dessen Kinofilm parallel bei Pro7 gezeigt wurde) zufrieden“. Nicht im Ansatz ging es um Politisches, sondern nur darum, wer sich besser dargestellt hat, lax gesprochen: wer besser rübergekommen ist, wer die bessere Quote gemacht hat.

Nun ist das natürlich kein neues Phänomen. Wenn Sie einmal überlegen, was wir von den Herrschern der Geschichte wissen (gerade auch der biblischen Geschichte), so sind es in aller Regel eben auch eher die Epi-Phänomene als die politischen Fakten. Von König David wissen wir mehr über seine musikalischen und erotischen Ambitionen und seine kämpferischen Fähigkeiten als über sein staatspolitisches Geschick, von Kaiser Nero mehr über seine Lust am Zündeln als über seine Innenpolitik. Schon immer gehörte zur Politik auch die Ästhetisierung, die Kultivierung der Nebenhandlungen, mit anderen Worten die Show.

Bei all dem geht es nicht um Ästhetik im engeren Sinne, eher um eine bestimmte Bewegung der Ästhetisierung des Politischen. Bevor ich mich aber in einem zweiten Schritt diesen Phänomenen zuwende, möchte ich einige Überlegungen zu dem vortragen, was wir grundsätzlich als das Politische bezeichnen. Denn keinesfalls ist klar, was das Politische eigentlich ist, denn auch die Tarnung des Politischen im Medienrauschen ist – wie bereits erwähnt – natürlich selbst ein Stück politischer Strategie.

1. Politik

Was verstehen wir unter Politik oder dem Politischen? „Der Begriff Politik wird aus dem griechischen Begriff Polis für Stadt oder Gemeinschaft abgeleitet. Er bezeichnet ganz allgemein ein vorausberechnendes, innerhalb der Gesellschaft auf ein bestimmtes Ziel gerichtetes Verhalten. Hauptsächlich wird mit diesem Begriff die Gestaltung der Ordnung in der Welt bezeichnet. Allerdings gibt es letztlich bis heute keine Einigkeit darüber, ob Macht, Konflikt, Herrschaft, Ordnung oder Friede die Hauptkategorie von Politik ausmachen.“ (Wikipedia, Art. Politik.)

Die einfachste Definition des Politischen, noch aus der Zeit Martin Luthers, zeigt uns, wie problematisch die These vom Verschwinden des Politischen ist. Diese Definition stammt vom Staatsphilosophen Niccolò Machiavelli und sie lautet: „Politik ist die Summe der Mittel, die nötig sind, um zur Macht zu kommen und sich an der Macht zu halten und um von der Macht den nützlichsten Gebrauch zu machen“. So gesehen ist vielleicht gerade das scheinbare Verschwinden des Politischen der wirkungsmächtigste Versuch, an der Macht zu bleiben bzw. an die Macht zu gelangen. Eine politische Kaste hält sich an der Macht, indem sie das kontrovers Politische zum Verschwinden bringt (oder in mediale Schein-Konflikte auflöst); dadurch aber selbst die Politik gestalten und im eigenen Sinne beeinflussen kann. „Brot und Spiele“ sind eben auch Teile der Politik bzw. der Machtpolitik.

Eine andere verbreitete Definition des Politischen lautet: „Politik ist die Lehre von den Staatszwecken und den besten Mitteln (Einrichtungen, Formen, Thätigkeiten) zu ihrer Verwirklichung.“ Hier tritt nicht die bloße Macht an sich, sondern der Staat in den Mittelpunkt und nicht umsonst ist diese Definition eine aus der Zeit des Reichskanzlers Otto von Bismarck. Wenn der Staatszweck also zum Beispiel die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung ist, dann ist das scheinbare Verschwinden des Politischen als des politisch Kontroversen die optimale Erfüllung des Zieles: der Staat kümmert sich um alles Notwendige, der Bürger kümmert sich um die Kultur und das Private.

Eine dritte verbreitete Definition lautet: „Unter Politik verstehen wir den Begriff der Kunst, die Führung menschlicher Gruppen zu ordnen und zu vollziehen.“ Oder etwas anders formuliert: „Politik ist die Führung von Gemeinwesen auf der Basis von Machtbesitz.“ Politik ist mit anderen Worten eine Art Leitbild-Organisa­tion und wir beobachten im Augenblick, wie diese Leitbild-Organisation durcheinander gerät, weil im Rahmen einer in Szenegruppen zerfallenden Gesellschaft immer weniger Menschen auf leitende Werte verpflichtet werden können. Es gibt keinen Konsens in der Wertebildung und wir sprechen aus diesem Grunde vom Verschwinden des Politischen im Sinne des Versagens der politischen Konsensbildung.

Schließlich gibt es komplexere Definitionen: Politik ist demnach die „Gesamtheit aller Aktivitäten zur Vorbereitung und Herstellung gesamtgesellschaftlich verbindlicher und/oder am Gemeinwohl orientierter und der ganzen Gesellschaft zugute kommender Entscheidungen.“ So hätten wir es gerne und das Verschwinden des Politischen wäre dann der zu beobachtende dramatische Verlust des Interesses an der Sorge um das Gemeinwohl.

Sie sehen, von der Definition des Politischen hängt in aller Regel auch die Diagnose seines Zustandes ab. Persönlich habe ich als Nachgeborener der 68er-Generation zunächst einmal gelernt, dass nichts, aber auch gar nichts unpolitisch ist. „Die blaue Blume ist rot!“ – jene Kampfparole der 68er hat uns gezeigt, das noch der Eskapismus, die romantische Flucht eine extrem politische Dimension hat.

Alles ist Politisch ist aber selbst eine Flucht-Formel, denn sie enthebt einen der Notwendigkeit, das Politische für sich selbst zu bestimmen. Wenn denn alles politisch ist, ist eben nichts politisch. Der Satz des Kommunarden Dieter Kunzelmann „Was geht mich Vietnam an? Ich habe Schwierigkeiten mit meinem Orgasmus“ zeigt präzise das Umschlagen des Politischen ins Unpolitische an. Wenn die politischen Dinge gleichgültig, im Sinne von gleich gültig werden, dann lässt sich kaum noch begründen, warum die Menschenwürde anderer wichtiger ist als das eigene Befinden. Und tatsächlich agiert ja ein Teil unserer Gesellschaft in diesem Sinne der Verweigerung der Sorge um das Gemeinwohl – aber eben nur ein Teil.

2. Ästhetisierung

Ich komme nun zu meinem zweiten Punkt, der Frage nach der Ästhetisierung bzw. Medialisierung des Politischen und den dadurch bewirkten gesellschaftlichen Veränderungen, die uns von einem Verschwinden des Politischen reden lassen könnten.

a) Zur Ästhetisierung der Politik in den 30er-Jahren

Der Schriftsteller und Literaturwissenschaftler Walter Benjamin hat in den 30er-Jah­ren im Rahmen seiner Überlegungen zum „Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit“ wichtige Ausführungen zur Ästhetisierung der Politik gemacht. Wo immer man heute von einer Ästhetisierung des Politischen spricht, nimmt man implizit auf Benjamins Gedanken Bezug. Worum ging es Benjamin seinerzeit? Er reagierte mit seinen Ausführungen auf die Ästhetisierung der Politik durch die Nationalsozialisten. „Der Faschismus läuft … auf eine Ästhetisierung des politischen Lebens hinaus … Alle Bemühungen um die Ästhetisierung der Politik gipfeln in einem Punkt. Dieser eine Punkt ist der Krieg.“ Der Krieg ist das ultimative Spektakel. Von dieser Form der Ästhetisierung der Politik sind wir heute weit entfernt.

Zugleich reagierte Benjamin auf die Veränderung der politischen Kultur in den 30er-Jahren und zwar auf das Ende der bürgerlichen Kunst durch die Etablierung der populären Massenkunst. Seine Hoffnung war, dass die Massen, die sich gegenüber der Hochkultur als reaktionär erwiesen hatten, sich nun angesichts der avancierten Filmkultur als progressiv erweisen würden. „Aus dem rückständigsten, z.B. einem Picasso gegenüber, schlägt es in das fortschrittlichste, z.B. angesichts eines Chaplins, um.“ Benjamin sucht quasi einen ästhetischen Rettungsanker gegenüber den politischen Masseninszenierungen des Faschismus. Seine Idee eines progressiven Elements der Massenmedien ist meines Erachtens ebenso wie sein Programm einer Politisierung der Kunst gescheitert. Benjamins Freund Theodor W. Adorno hatte sich schon damals in einem Brief an Benjamin kritisch geäußert und an der bürgerlichen Kunst als Gegenentwurf festgehalten. Kunst und Ästhetik, so sein Argument, müssen dialektischer betrachtet werden. Darin hat er Recht behalten.

b) Ästhetisierung der Lebenswelt

Eine weitere wichtige Überlegung zur „Ästhetisierung der Lebenswelt“ stammt von dem Philosophen Rüdiger Bubner aus den 80er-Jahren. Er verleiht seiner Sorge Ausdruck, dass die Verkehrung von Ausnahme und Regel im Verhältnis von Kunst und Leben seit der Moderne zu einer negativ zu bewertenden Ästhetisierung des gesamten Lebens führe:

„Seitdem in der Moderne das Ästhetische eine Lebensmacht wurde, bildet die Grenzziehung zwischen Schein und Wahrheit ein Dauerthema, und im Zuge dieser Entwicklung verlieren gewohnte Einteilungen an Kraft ... Mit den Avantgardebewegungen der letzten 150 Jahre stoßen die Künste mehr und mehr in die angestammten Bezirke außerästhetischer Realität vor, während umgekehrt die privaten und politischen Lebensordnungen sich planmäßig ästhetisieren. … [So] nähern sich Alltagsbeziehungen zwischen Menschen im privaten und gesellschaftlichen Rahmen mit vollem Bewusstsein einem Kunstmodell, indem eine spielerische Inszenierung die Last der Rollen erleichtert, traditionelle Pflichten in die Schwebe bringt und Normen zum folgenlosen Ausprobieren freigibt.“

Die Ästhetisierung des Lebens, vor allem aber die Ästhetisierung des Politischen entlastet uns, weil sie uns das Politische spielerisch vorführt. Zugleich erodiert das Verbindliche des politischen Engagements. Das Ästhetische wird zum Ausdruck der Rechtfertigungsunbedürftigkeit.

Das war nicht immer so. Zunächst einmal war die Kunst seit der Antike vor allem ein „Spiegel des Lebens“ – anhand der gegenüber dem Leben nachgängigen Kunst konnten wir über das Leben selbst nachdenken. Das ändert sich erst mit dem Zeitalter der Wissenschaft, die die Reflexion über die Wirklichkeit exklusiv für sich beanspruchte. Seitdem ist die Kunst bloß noch eine Art Luxus, ein ästhetischer Sonderfall, der den korrekt etablierten Weltbezug voraussetzt. Nach Bubner ändert sich das in der Gegenwart: „Ich behaupte, dass die Ästhetisierung der Lebenswelt ein Kennzeichen der gegenwärtigen Epoche ist“.

Praktisch heißt das: Engagement erschöpft sich zunehmend in symbolischen Akten. „Je mehr die Gesellschaft sich nach Formen der Freizeit oder Subkultur modelliert, wird der graue Alltag zum permanenten Fest. Politik und Religion schließen sich der Zeitströmung an und suchen, mit den Masseninszenierungen von Sport und Musik zu konkurrieren. Sogar das private Verhalten nähert sich der Schaustellung, wo Idole imitiert, Modellkonflikte durchlebt und eine Identität aus zweiter Hand angezielt wird. Mimesis ist das Primäre, nicht das Sekundäre, weil eine von Mimesis freie Wirklichkeit an und für sich, die vor der Unterwanderung durch Bilder sicher wäre, uns immer weniger geboten wird.“ Das alles umschreibt vermutlich genau die Sorge derer, die vom Verschwinden des Politischen sprechen: dass nämlich mit der Durchsetzung der Oberflächen die Substanz verloren zu gehen droht, dass die Ästhetisierung eine vernünftige Politik verhindert. Bubner schlussfolgert: „Im Medienzeitalter triumphiert die Neigung, jeglichen Inhalt in Bilder vor großem Publikum zu verwandeln und das Publikum seinerseits zum Mitakteur zu rekrutieren.“

3. Von der Ästhetisierung der Politik zur Demokratisierung des Ästhetischen

Die Frage ist aber, ob in der Transformation der Inhalte in Bilder nicht auch ein politischer Glutkern steckt, ob man diesen Vorgang nicht auch positiv beerben kann. Man müsste an dieser Stelle Überlegungen aufnehmen, die in den letzten 10 Jahren zum religiösen Bilderverbot und seinen Folgen vorgetragen wurden. Gegen das biblische Bilderverbot wurde nämlich eingewendet, dass Bilder – anstatt die Menschen auf eine rigoros durchzusetzende Wahrheit zu verpflichten – vielmehr die Übersetzbarkeit von Wahrheiten nahe legen. Bilder ermöglichen vielfältige Lesarten. Eine Bilderkultur, eine ästhetisierte Kultur wäre demnach immer auch eine befriedete, vielleicht sogar eine friedliche Kultur. Ich bin mir aber ganz und gar nicht sicher, ob dieses Argument wirklich zutrifft, ob also das Bild tatsächlich diesen befriedenden Charakter hat. Es hängt davon ab, von welchen Bildern wir sprechen und wie wir selbst mit ihnen umgehen. Es gibt Bilder, die zum Einlullen dienen, zur Befriedung unseres Unbehagens und es gibt Bilder, die uns unser Unbehagen und damit zugleich unsere Gestaltungsmöglichkeiten vor Augen führen.

Das können wir auch am Beispiel des vor einem Jahr verstorbenen Mauricio Kagel beobachten, dessen Musik wir heute neben der von Erik Satie in der Mittagskirche hören. Kagel gilt als wichtiger Vertreter des „Instrumentalen Theaters“, bei dem auch die sichtbaren Begleiterscheinungen des Musizierens mit einbezogen werden - das Wie also neben das Was, die Form neben den Inhalt tritt. Auch in seinen Werken für den Konzertsaal spielte Theatralik und sichtbare Musik immer eine große Rolle. So stürzt der Solist im Konzertstück für Pauken und Orchester am Ende kopfüber in sein Instrument. Andere Werke beziehen Alltagsgegenstände und Geräusche mit ein. Ein eindrucksvolles Beispiel seiner Musiktheaterwerke ist das Stück Staatstheater, das 1971 in Hamburg sogar unter Polizeischutz aufgeführt werden musste. Im Staatstheater emanzipierten sich Requisiten und Kulissen zu selbständigen Akteuren. Alle Orchestermusiker stiegen aus dem tiefen Graben ins Rampenlicht. So kam wahrnehmbar Bewegung in die Verhältnisse. Zu seinem Tod schrieb die taz vor einem Jahr: „Kagel gehörte dezidiert jenem kurzen 20. Jahrhundert an, das in politischer wie in künstlerischer Hinsicht bereits zu Beginn der Neunziger zu Ende ging.“

Aber das ist genau unsere Frage: Ob der Begriff des Politischen, der hier verwendet wird, tatsächlich zu Ende ging oder ob er sich nicht eher transformiert hat. Also nicht mehr Politik im Sinne der Macht, des Staates oder der Führung, sondern tatsächlich Politik im Sinne der aller Aktivitäten zur Vorbereitung und Herstellung gesamtgesellschaftlich verbindlicher und am Gemeinwohl orientierter und der gan­zen Gesellschaft zugute kommender Entscheidungen. Wenn wir das tatsächlich im Sinne der Gesamtheit aller Aktivitäten lesen, dann müssen wir uns nicht für oder gegen die Ästhetisierung, nicht für oder gegen die Bilder entscheiden, sondern wir müssen sehen welche Bilder dem Gemeinwohl zugute kommen und wir können davon ausgehen, dass auch in der Theatralik ein politischer Glutkern steckt.

Über das Verschwinden des Politischen steht über meiner Kanzelrede, aber eigentlich geht es um die Transformation des Politischen, es geht darum, in und mit welchen Bildern wir leben wollen, ob wir gemeinsame Bilder für die Zukunft haben. Und es geht darum, wie wir diese Bilder in die Wirklichkeit übersetzen.

4. Literatur

  • Wikipedia, Art. Politik und Art. Maricio Kagel
  • Benjamin, Walter (1991): Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit. Zweite Fassung. In: Benjamin, Walter; Tiedemann, Rolf; Schweppenhäuser, Hermann; Adorno, Theodor W.; Scholem, Gershom: Gesammelte Schriften. [Taschenbuchausg.]. Frankfurt am Main: Suhrkamp (Edition Suhrkamp), S. 472–508.
  • Bubner, Rüdiger (1989): Ästhetische Erfahrung. Frankfurt a. M.: Suhrkamp. Edition Suhrkamp, Bd. 1564.


Zuletzt bearbeitet 20.09.2009
© Andreas Mertin